Kreuzfahrt-Werbe-Terror – kaum zu glauben …

Unglaublich: Die Kreuzfahrtanbieter bombardieren Kunden und Reisebüros geradezu mit Werbung für Reisen, für nächstes Jahr, übernächstes Jahr, sogar überübernächstes Jahr … Buche für 2023, möglichst heute und ganz schnell.

Die ersten Schiffe sind wieder unterwegs. Manchmal. Man fragt sich, ob die Meldungen über Fahrten oder Absagen sich nicht die Waage halten. Große Karibik-Kreuzfahrt – abgesagt, die Häfen seien schuld, aber vielleicht war es auch die ach so sorgfältige Planung. Weihnachts- und Silvesterkreuzfahrten abgesagt – aber war ja eigentlich bei den Corona-Entwicklungen in Europa absehbar, dass es nicht so einfach los- oder gar weitergehen kann. Mit vielen Sicherheitsvorkehrungen Kreuzfahrten angeboten – aber nach Corona-Fällen an Bord wieder eingestellt.

Ansagen und Absagen. Und weiterhin ist das private Email-Postfach ebenso wie das Reisebüro-Postfach voll mit Werbung, für ganz viele tolle Reisen, mit Lock-Storno-Regelungen, Covid-Versicherungen, Boni und mehr – aber die Reisepreise doch unerwartet hoch.

Nett, dass diese Werbung auch voll diejenigen Kunden trifft, die monatelang auf die Rückerstattung ihrer Anzahlungen oder Reisepreiszahlungen warten mussten. Geld einkassiert, Reisen abgesagt, und monatelang keine Rückerstattung vorgenommen. Wohlgemerkt handelt es sich um Kundengelder, die oft über ein Jahr vor der Reise eingesammelt wurden und für die keine Leistungen geboten wurden.

Die Reisebüros hatten schwierige Zeit mit den Kunden, keine Einnahmen; die großen Reedereien saßen auf dem Geld der Kunden, praktische zinslose Kredite zur Überbrückung der Zeit. Viele der Kunden, die heute dick mit Werbung überzogen werden, warten immer noch auf ihr Geld.

Vielleicht wäre ja bei den Kreuzfahrtanbietern einmal ein wenig Nachdenklichkeit angesagt. Für die Reisebüros klingt es oberflächlich ja auch ganz gut, wenn derzeit Provisionen etwas erhöht werden – aber was soll’s. Zu verkaufen gibt’s derzeit nichts – den Kunden steht nicht der Sinn danach. Und wenn dann einmal eine „einsame Reise“ verkauft wird, ist’s auf Risiko, denn die Reiseabsagen kommen schnell und spontan, und generelle Absagen gibt es bis ins nächste Jahr hinein. Immer wieder verschoben, Monat für Monat – heute buchen für den März, und ein paar Tage später können diese März-Abfahrten schon wieder abgesagt sein. Für Reisebüros heißt das: Kunden gewonnen, Reisen abgesagt, Kunden enttäuscht, Geld kommt spät zurück, Arbeit gemacht, nichts verdient. Hervorragendes Konzept.

Auch in Richtung der Kunden sollte den Kreuzfahrtanbietern einmal durch den Kopf gehen, dass diese in einer höchst unsicheren Lebenssituation stehen, mit wenig Planungshorizont für die Zukunft, weder für das Privat- noch für das Arbeitsleben. Da hilft es wenig, mit üblicher Werbung für tolle Schiffe und Routen Reisen verkaufen zu wollen, ergänzt mit ein paar Sicherheitsspielen oder Nachbesserung in den Kundenclubs. Nachdenklichkeit würde hier heißen, Kunden zu binden und planbare Zeithorizonte zu eröffnen – an den Kunden der Zukunft und die Zukunft der Kunden denken. Und nicht potenzielle Kunden mit Werbung für nicht erfüllbare Wünsche abzufüllen und dauerhaft zu verärgern.

Bernhard Jans
10. Dezember 2020

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Kreuzfahrt – Zukunftsperspektiven am Abgrund

Immer mehr und gigantischere Schiffe, die einen geeignet, noch mehr Menschen aufzunehmen, die anderen, um noch weiter in entlegenste Ziele wie in die Antarktis hineinzufahren. Immer mehr Routen gehen in alle Regionen der Welt. Immer umfangreichere All-In-Versorgung an Bord, ob im Restaurant oder beim Unterhaltungsprogramm. Immer günstigere Preise. Jetzt in Corona-Zeiten immer mehr Reiseabsagen und still gelegte Schiffe, immer mehr Schiffe, die verschrottet werden, und immer längere Fristen bei der Verschiebung der unzähligen Neubauten. Superlativen allenthalben, mit denen alle Welt und insbesondere all diejenigen, die sich für Reisen interessieren, überflutet werden.

Eigentlich geht es jedoch „nur“ um Erholung und Entspannung, Entdeckungen und Erlebnisse, darum, die Welt ein wenig zu erkunden – um Lebensfreude, vor allem Freude am Reisen. Die Kreuzfahrt bietet dafür beste Voraussetzungen, würde das Reisen wieder in den Mittelpunkt gestellt, nicht der schwimmende Freizeitpark.

Ziemlich offensichtlich und fast ein wenig unheimlich hat sich die Kreuzfahrt zu etwas entwickelt, was mit ihrem ursprünglichen Gedanken, Land und Leute zu entdecken, nur wenig mehr zu tun hat. Sie ist, wenn man so möchte, als Pseudo-Befriedigung etwas verkommen zu einem freizeitparkähnlichen riesigen Spiel-und-Spaß-Ferienresort-Angebot, versehentlich schwimmend, aber nicht wirklich das Meer benötigend. Die Schiffe könnten ebensogut auf einer großen Düne in der Sahara stehen – wäre irgendwo ein künstlicher Strand nebenan. Die Urlaubsqualität für die meisten Nutzer dieser Art, Ferien zu machen, würde sich kaum ändern – Städte und Regionen, die ein Schiff anläuft, insgesamt die Umwelt würden eher gewinnen.

Was Kreuzfahrten einmal so faszinierend machte, ist, dass sie einfach alle Möglichkeiten des Reisens in einem Produkt umfassen – den Hotelaufenthalt, gute Restaurants, Unterhaltungsprogramm, Wellnessangebote, vor allem die vielen unterschiedlichen Ziele, die auf einer Rundreise entdeckt werden können. Würde mittels Kreuzfahrt nicht auf Erkundung gegangen im Stile eines Kolonialisten, sondern eher im Stile eines Gastes, dann könnte man fast überschwenglich über Themen wie Verständigung oder „eine Welt“ nachdenken.

Das an sich faszinierende Angebot Kreuzfahrt hat sich mit den gigantischen Schiffen sehr eindimensional entwickelt, ist zum Freizeitpark geworden, sich als anspruchsvolleres touristisches Produkt weitgehend verabschiedet – und wurde nicht unwesentlich zu einem „Ballermann-Produkt“. Wohl dem, der die Hochglanz-Beschreibungen noch richtig interpretieren und das richtige passende Angebot für die eigene Reise herausfiltern kann.

Vielleicht ist ja die Corona-Pandemie ein wenig Ansatz dafür, den Tourismus insgesamt, insbesondere den Kreuzfahrttourismus neu zu denken. Sicherlich wird es den Masssentourismus weiterhin geben, auch mit den großen Kreuzfahrtschiffen, von denen immer mehr unterwegs sein werden. Werden diese aber nicht mehr verstanden als Kreuzfahrtschiff, sondern überdimensionales Ferienresort mit gutem Unterhaltungsprogramm, das irgendwo vor einer Küste steht und mit Gästen „bestückt“ werden muss, wird sich die Tourismus-, Kreuzfahrt- und Umweltdebatte plötzlich völlig anders darstellen. Für diejenigen, die tatsächlich „in die Welt hinaus“ und diese erkunden wollen, reicht ein mehr für Erkundungen mittels Schiff taugliches schmales Angebot.

Kreuzfahrt neu gedacht – dann wird sie zu einem ein geradezu exemplarischen Vorreiter für vielfältige positive Ausprägungen des Tourismus. Für die Zukunft des Reisens.

Bernhard Jans
21. Juli 2020

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