„Eroberung der Welt“ – die Piraten kommen wieder …

Bis Anfang dieses Jahres war kaum mehr ein „Land in Sicht“, das noch nicht von Kreuzfahrtschiffen „eingenommen“ wurde. Städte und ganze Küstengebiete stöhnten wegen der ankommenden Kreuzfahrtschiffe und „einfallenden“ Touristen. Das Alltagsleben der Menschen in diesen Regionen veränderte sich, auch der Tourismus in den Ländern, die von Kreuzfahrten „überfallen“ wurden. Die Piraten und Eroberer kamen – nicht wie früher, mit Kanonen und Kugeln, sondern modern, mit Badeschlappen und T-Shirts. Eben moderne Piraterie?!

Ausgebremst wurde die sich abzeichnende fast schon aggressiv zu nennende touristische „Eroberung der Welt“ durch die Corona-Pandemie. Überraschend, welche Auswirkungen ein Virus zeitigen kann. Plötzlich berichteten Hafenstädte über klareres Wasser und reinere Luft, zeigten sich Boulevards und Geschäfte merkwürdig beruhigt – und die anfänglichen positiven Untertöne ergänzten sich schnell mit Befürchtungen. Waren zu viele Kreuzfahrtgäste ein Indiz für Strukturwandel und Verlust an Lebensqualität, waren es nun die fehlenden Kreuzfahrtgäste, die zu wirtschaftlichen Problemen in den Regionen führten.

Aber nun kehrt die Kreuzfahrt zurück. Unterwegs waren schon TUI Cruises und Hurtigruten, wobei sich letztere allerdings selbst über nicht konsequenten Umgang mit den Corona-Bestimmungen ausbremsten. Nun hat Italien als Flaggenstaat für MSC, AIDA und Costa ab Mitte August diesen die Freigabe erteilt, wieder Kreuzfahrten unternehmen zu dürfen – auf Grundlage von Sicherheitsregularien, von den Reedereien mit den Behörden ausgearbeitet und von diesen genehmigt.

Ist die Kreuzfahrt also wieder auf Spur gesetzt, „die Welt zu erobern“? Wohl kaum. Die Corona-Pandemie und in Folge die Welt hat die „Piraten“ ausgebremst. Waren es lange die weitgehend selbstgesetzten Regeln der Kreuzfahrtkonzerne, an denen sie sich orientierten, sind es nunmehr die Grenzen, die ihnen weltweit gesetzt werden. Nach der Corona-Pandemie wird sich kein Staat weltweit mehr eine ähnliche Problemlage leisten wollen, wie sie jetzt überall vorherrscht.

Der Expansionswut der vergangenen Jahre sind plötzlich Schranken gesetzt. Die Kreuzfahrt wird sich neu erfinden müssen, nicht unbedingt zu ihrem Nachteil – das belegen jetzt schon die Auslastungsbeschränkungen der Schiffe, die Gesundheitsüberprüfungen der Passagiere und der Crew, die Veränderungen in Restaurants und Veranstaltungräumen, die organisierten Landgänge, die Panoramafahrten, die intensivierten Hygienemaßnahmen und deren Kontrolle, die Maskenpflicht in öffentlichen Bereichen und mehr. Waren die Leitlinien für den Bau der unzähligen Schiffe, die noch in den Auftragsbüchern der Werften stehen, noch die Steigerung der Kapazität, bei kleineren Schiffen die Erreichbarkeit besonderer Ziele, zudem die Ausrichtung an Umweltkriterien, ist nun die Maßgabe, der sich alles unterzuordnen hat, die Gesundheit der Passagiere – die zugleich ausschlaggebend ist, Länder anlaufen zu dürfen.

Alle Anbieter haben umfangreiche Regelungen und Vorkehrungen getroffen, um künftig besser mit dem Thema Gesundheit an Bord, besser noch mit Vermeidung von Infektionen, speziell Corona, umgehen zu können. MSC geht dabei so weit, dass sogar Corona-Tests vorgenommen werden sollen.

Es bleibt abzuwarten, wie der „Neustart“ nun mit diesen weiteren Anbietern verlaufen wird – und ob, wie es bei einigen Anbietern heißt, bald wieder schrittweise zum Normalprogramm zurückgekehrt werden kann. Wohl eher ist anzunehmen, dass sich das Kreuzfahrtenangebot insgesamt verändern wird, wohin auch immer. Nicht mehr die touristischen Piraten bestimmen das Programm. Corona hat die Welt verändert, und daran wird auch die Kreuzfahrt nicht vorbei kommen.

Bernhard Jans
08. August 2020

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Wegen Überfüllung geschlossen

Damit haben die Hotels derzeit kein Problem, auch nicht die Restaurants, und noch weniger werden es die Kreuzfahrten sein, die über zu viele Buchungen klagen. Überfüllung ist mehr ein Problem überall dort, wo sich Lebensalltag und touristische Attraktivität treffen – all die Lebensbereiche und Regionen, die sich für den mehr oder weniger kleinen Ausflug eignen.

Eingebremst wurde durch die Corona-Pandemie nicht nur die Urlaubsreise, sondern auch die Kurzreise zwischendurch, irgendwohin ins Ausland. Nahezu jegliche touristische Aktivität ist jetzt auf inländische Ziele beschränkt – greift also in den Lebensalltag vieler Menschen ein. Das Ergebnis: An Wochenenden tummeln sich geradezu Menschenmassen auf Wander- und auf Radwegen.

Innenstädte zeigen sich überfüllt wie selten, vor allem romantischere Städtchen; ist Markt, drängeln sich die Besucher zwischen den Ständen. Gesichtsmasken? Selten. Am Wochenende gibt es Staus, inzwischen auch auf den Landstraßen in die Ferienregionen Deutschlands. Die Szenerie ist belebt wie seit langem nicht mehr, vor allem auch im Einzugsfeld der Ballungsregionen und Großstädte.

Entzerrung wäre angesagt. Aber eingeschliffene Verhaltensweisen lassen sich kaum ändern. Warum muss es auf Reisen immer das angeblich attraktivste Ziel oder die Vorzeigestadt sein – häufig sind kleine Orte rundherum weit interessanter und idyllischer. Warum erwartet einjeder den durchgeplanten Wanderweg, mit Beschilderung und genauer Angabe von Etappenzielen – der Wirtschaftsweg quer durch einen Wald oder ein Trampelpfad kann weit interessanter sein. Warum an einem Samstag der übliche Einkauf beim Discounter – ein Ausflug mit einigen Stops bei Bauernhofläden bringt dieselbe Warenvielfalt in besserer Qualität und dazu einige Erlebnisse. Und wer schätzt nicht einen Gasthof auf dem Land, abseits der großen touristischen Wege? Warum muss es der bestimmte See mit dem „großen Namen“ sein – warum nicht einer der anderen, ebenso schönen rundum? Und so weiter ..

Solche Fragen sind zugleich auch Antworten, die auf eines verweisen: Es gilt, vermeintlich fest gelegte Denk- und Verhaltensweisen zu verlassen, und so auch die Lebensqualität zu verbessern. Nicht das ansteuern, was alle tun – sondern dorthin steuern, wo es etwas zu entdecken gibt. Nicht nur wegen Corona – sondern vielleicht auch einmal ganz eigennützig, um das zu tun, was gerne nach jedem Urlaub und jedem Ausflug gemacht wird: Nicht darüber zu berichten, was jeder schon weiß, sondern mit dem glänzen können, was so neu ist, dass man davon begeistert erzählen kann. Auch dann, wenn es „nur“ die „kleine“ Entdeckung von gleich nebenan ist.

Bernhard Jans
21. Juli 2020

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