Relax-Schiff-Hype

„Mein Schiff Relax“ – der aktuell gefeierte Schiffsneubau von TUI Cruises. Vermutlich wird er auch als dasjenige Schiff in die Geschichte von TUI Cruises eingehen, mit dem sich das „Life-Style-Produkt“ namens „Mein Schiff“ in den Bereich des Massentourismus verabschiedet. Das Fazit also gleich vorweg – aber warum diese Einschätzung?

Es ist schon fast unglaublich, wie sich die Berichterstattung über das neue Schiff von TUI Cruises häuft, nun nicht mehr benannt wie die Vorgänger, durchnummeriert von 1 bis 7, sondern eher anspruchsvoll mit „Mein Schiff Relax“. Das Marketing scheint zu funktionieren, die einschlägigen Zeitschriften, Infodienste und vor allem die Social Media Kanäle sind gefüllt, auffallend ebenso die ungewöhnlich gehäufte Berichterstattung in den verschiedenen Alltagsmedien. Das mag vielleicht auch an einem Coup liegen, den sich TUI Cruises geleistet hat – „Wohlfühl-Botschafter“ der „Mein Schiff Relax“ ist Megastar Robbie Williams, und der tritt bei der Schiffstaufe auf, zu der TUI Cruises gleich drei Schiffe hinbeordert hat. Die Medienpräsenz an diesem Ereignis ist also gesichert.

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Kreuzfahrt – Zukunftsperspektiven am Abgrund

Immer mehr und gigantischere Schiffe, die einen geeignet, noch mehr Menschen aufzunehmen, die anderen, um noch weiter in entlegenste Ziele wie in die Antarktis hineinzufahren. Immer mehr Routen gehen in alle Regionen der Welt. Immer umfangreichere All-In-Versorgung an Bord, ob im Restaurant oder beim Unterhaltungsprogramm. Immer günstigere Preise. Jetzt in Corona-Zeiten immer mehr Reiseabsagen und still gelegte Schiffe, immer mehr Schiffe, die verschrottet werden, und immer längere Fristen bei der Verschiebung der unzähligen Neubauten. Superlativen allenthalben, mit denen alle Welt und insbesondere all diejenigen, die sich für Reisen interessieren, überflutet werden.

Eigentlich geht es jedoch „nur“ um Erholung und Entspannung, Entdeckungen und Erlebnisse, darum, die Welt ein wenig zu erkunden – um Lebensfreude, vor allem Freude am Reisen. Die Kreuzfahrt bietet dafür beste Voraussetzungen, würde das Reisen wieder in den Mittelpunkt gestellt, nicht der schwimmende Freizeitpark.

Ziemlich offensichtlich und fast ein wenig unheimlich hat sich die Kreuzfahrt zu etwas entwickelt, was mit ihrem ursprünglichen Gedanken, Land und Leute zu entdecken, nur wenig mehr zu tun hat. Sie ist, wenn man so möchte, als Pseudo-Befriedigung etwas verkommen zu einem freizeitparkähnlichen riesigen Spiel-und-Spaß-Ferienresort-Angebot, versehentlich schwimmend, aber nicht wirklich das Meer benötigend. Die Schiffe könnten ebensogut auf einer großen Düne in der Sahara stehen – wäre irgendwo ein künstlicher Strand nebenan. Die Urlaubsqualität für die meisten Nutzer dieser Art, Ferien zu machen, würde sich kaum ändern – Städte und Regionen, die ein Schiff anläuft, insgesamt die Umwelt würden eher gewinnen.

Was Kreuzfahrten einmal so faszinierend machte, ist, dass sie einfach alle Möglichkeiten des Reisens in einem Produkt umfassen – den Hotelaufenthalt, gute Restaurants, Unterhaltungsprogramm, Wellnessangebote, vor allem die vielen unterschiedlichen Ziele, die auf einer Rundreise entdeckt werden können. Würde mittels Kreuzfahrt nicht auf Erkundung gegangen im Stile eines Kolonialisten, sondern eher im Stile eines Gastes, dann könnte man fast überschwenglich über Themen wie Verständigung oder „eine Welt“ nachdenken.

Das an sich faszinierende Angebot Kreuzfahrt hat sich mit den gigantischen Schiffen sehr eindimensional entwickelt, ist zum Freizeitpark geworden, sich als anspruchsvolleres touristisches Produkt weitgehend verabschiedet – und wurde nicht unwesentlich zu einem „Ballermann-Produkt“. Wohl dem, der die Hochglanz-Beschreibungen noch richtig interpretieren und das richtige passende Angebot für die eigene Reise herausfiltern kann.

Vielleicht ist ja die Corona-Pandemie ein wenig Ansatz dafür, den Tourismus insgesamt, insbesondere den Kreuzfahrttourismus neu zu denken. Sicherlich wird es den Masssentourismus weiterhin geben, auch mit den großen Kreuzfahrtschiffen, von denen immer mehr unterwegs sein werden. Werden diese aber nicht mehr verstanden als Kreuzfahrtschiff, sondern überdimensionales Ferienresort mit gutem Unterhaltungsprogramm, das irgendwo vor einer Küste steht und mit Gästen „bestückt“ werden muss, wird sich die Tourismus-, Kreuzfahrt- und Umweltdebatte plötzlich völlig anders darstellen. Für diejenigen, die tatsächlich „in die Welt hinaus“ und diese erkunden wollen, reicht ein mehr für Erkundungen mittels Schiff taugliches schmales Angebot.

Kreuzfahrt neu gedacht – dann wird sie zu einem ein geradezu exemplarischen Vorreiter für vielfältige positive Ausprägungen des Tourismus. Für die Zukunft des Reisens.

Bernhard Jans
21. Juli 2020

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