Kreuzfahrt – Zukunftsperspektiven am Abgrund

Immer mehr und gigantischere Schiffe, die einen geeignet, noch mehr Menschen aufzunehmen, die anderen, um noch weiter in entlegenste Ziele wie in die Antarktis hineinzufahren. Immer mehr Routen gehen in alle Regionen der Welt. Immer umfangreichere All-In-Versorgung an Bord, ob im Restaurant oder beim Unterhaltungsprogramm. Immer günstigere Preise. Jetzt in Corona-Zeiten immer mehr Reiseabsagen und still gelegte Schiffe, immer mehr Schiffe, die verschrottet werden, und immer längere Fristen bei der Verschiebung der unzähligen Neubauten. Superlativen allenthalben, mit denen alle Welt und insbesondere all diejenigen, die sich für Reisen interessieren, überflutet werden.

Eigentlich geht es jedoch „nur“ um Erholung und Entspannung, Entdeckungen und Erlebnisse, darum, die Welt ein wenig zu erkunden – um Lebensfreude, vor allem Freude am Reisen. Die Kreuzfahrt bietet dafür beste Voraussetzungen, würde das Reisen wieder in den Mittelpunkt gestellt, nicht der schwimmende Freizeitpark.

Ziemlich offensichtlich und fast ein wenig unheimlich hat sich die Kreuzfahrt zu etwas entwickelt, was mit ihrem ursprünglichen Gedanken, Land und Leute zu entdecken, nur wenig mehr zu tun hat. Sie ist, wenn man so möchte, als Pseudo-Befriedigung etwas verkommen zu einem freizeitparkähnlichen riesigen Spiel-und-Spaß-Ferienresort-Angebot, versehentlich schwimmend, aber nicht wirklich das Meer benötigend. Die Schiffe könnten ebensogut auf einer großen Düne in der Sahara stehen – wäre irgendwo ein künstlicher Strand nebenan. Die Urlaubsqualität für die meisten Nutzer dieser Art, Ferien zu machen, würde sich kaum ändern – Städte und Regionen, die ein Schiff anläuft, insgesamt die Umwelt würden eher gewinnen.

Was Kreuzfahrten einmal so faszinierend machte, ist, dass sie einfach alle Möglichkeiten des Reisens in einem Produkt umfassen – den Hotelaufenthalt, gute Restaurants, Unterhaltungsprogramm, Wellnessangebote, vor allem die vielen unterschiedlichen Ziele, die auf einer Rundreise entdeckt werden können. Würde mittels Kreuzfahrt nicht auf Erkundung gegangen im Stile eines Kolonialisten, sondern eher im Stile eines Gastes, dann könnte man fast überschwenglich über Themen wie Verständigung oder „eine Welt“ nachdenken.

Das an sich faszinierende Angebot Kreuzfahrt hat sich mit den gigantischen Schiffen sehr eindimensional entwickelt, ist zum Freizeitpark geworden, sich als anspruchsvolleres touristisches Produkt weitgehend verabschiedet – und wurde nicht unwesentlich zu einem „Ballermann-Produkt“. Wohl dem, der die Hochglanz-Beschreibungen noch richtig interpretieren und das richtige passende Angebot für die eigene Reise herausfiltern kann.

Vielleicht ist ja die Corona-Pandemie ein wenig Ansatz dafür, den Tourismus insgesamt, insbesondere den Kreuzfahrttourismus neu zu denken. Sicherlich wird es den Masssentourismus weiterhin geben, auch mit den großen Kreuzfahrtschiffen, von denen immer mehr unterwegs sein werden. Werden diese aber nicht mehr verstanden als Kreuzfahrtschiff, sondern überdimensionales Ferienresort mit gutem Unterhaltungsprogramm, das irgendwo vor einer Küste steht und mit Gästen „bestückt“ werden muss, wird sich die Tourismus-, Kreuzfahrt- und Umweltdebatte plötzlich völlig anders darstellen. Für diejenigen, die tatsächlich „in die Welt hinaus“ und diese erkunden wollen, reicht ein mehr für Erkundungen mittels Schiff taugliches schmales Angebot.

Kreuzfahrt neu gedacht – dann wird sie zu einem ein geradezu exemplarischen Vorreiter für vielfältige positive Ausprägungen des Tourismus. Für die Zukunft des Reisens.

Bernhard Jans
21. Juli 2020

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Kreuzfahrt-Insolvenz – Schrott und Verschiebungen

Einen der „großen“ Anbieter hatte es ja schon getroffen, die Insolenz – die zu Royal Caribbean gehörende spanische Marke Pullmantur, deren drei Schiffe bereits zur Verschrottung in die Türkei unterwegs sind. „Nur“ Schiffe abgeben wird Costa – auch da steht das erste Schiff schon zur Verschrottung an, zwei sollen angeblich nach China gehen, und ein weiteres wurde vor wenigen Tagen an einen englischen Anbieter, South Quay Travel & Leisure Limited (SQTL), unterwegs als Cruise & Maritime Voyages, verkauft.

Just diesen Anbieter hat die Corona-Pandemie nun erwischt – er meldet Insolvenz an. Bedauerlich für den Anbieter und den englischen Markt, aber auch für das Kreuzfahrtenangebot in Deutschland, gehört doch „Transocean“, einer der wenigen noch am Markt befindlichen kleinen Anbieter, zu CMV. Also auch Insolvenz für Transocean.

Viele werden anmerken, dass damit endlich wieder einige Schiffe mehr von den Weltmeeren verschwinden könnten, dazu noch die älteren, nicht sonderlich umweltfreundlichen Modelle. Sie mögen recht haben, verkennen jedoch, dass damit der Tourismus, speziell die Kreuzfahrten, noch weiter von dem wegkommen, was einst einmal konstitutives Merkmal des Reisens war – Land und Leute entdecken.

Gerade die kleinen Anbieter sorgen mit ihren Schiffen für ungewöhnliche, spannende Reisen. Sie „liefern“ an den Zielen nicht Menschenmengen an, sondern wenige Besucher, und beeinflussen so örtliche oder regionale Lebensbedingungen weit weniger als die großen Schiffe oder auch riesige Hotelanlagen an Land. Sie ermöglichen mehr ursprüngliche Erlebnisse – und überfrachten nicht jegliches Ziel mit dem „Schrecken“ des Massentourismus. Abgesehen davon – gut dass es diesen gibt, sonst könnten „kleine“ Anbieter und „kleine“ Ziele nicht überleben …

Kleine Anbieter entzerren den Markt, bieten mehr das Besondere. Bedauerlich, wenn in einer Situation wie der Corona-Pandemie die großen Anbieter mit ihrer Marktmacht weit mehr Überlebens-Strategien entfalten, sich neu organisieren und vielleicht gar stärken und neu aufstellen können – und die kleinen Anbieter verschwinden. Das Kreuzfahrtenangebot wird sich weiter in Richtung Masse verschieben und verarmen. Auch das ist Schrott.

Bernhard Jans
21. Juli 2020

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