„Mein Schiff Relax“ – der aktuell gefeierte Schiffsneubau von TUI Cruises. Vermutlich wird er auch als dasjenige Schiff in die Geschichte von TUI Cruises eingehen, mit dem sich das „Life-Style-Produkt“ namens „Mein Schiff“ in den Bereich des Massentourismus verabschiedet. Das Fazit also gleich vorweg – aber warum diese Einschätzung?

Es ist schon fast unglaublich, wie sich die Berichterstattung über das neue Schiff von TUI Cruises häuft, nun nicht mehr benannt wie die Vorgänger, durchnummeriert von 1 bis 7, sondern eher anspruchsvoll mit „Mein Schiff Relax“. Das Marketing scheint zu funktionieren, die einschlägigen Zeitschriften, Infodienste und vor allem die Social Media Kanäle sind gefüllt, auffallend ebenso die ungewöhnlich gehäufte Berichterstattung in den verschiedenen Alltagsmedien. Das mag vielleicht auch an einem Coup liegen, den sich TUI Cruises geleistet hat – „Wohlfühl-Botschafter“ der „Mein Schiff Relax“ ist Megastar Robbie Williams, und der tritt bei der Schiffstaufe auf, zu der TUI Cruises gleich drei Schiffe hinbeordert hat. Die Medienpräsenz an diesem Ereignis ist also gesichert.

Das macht neugierig auf einen genaueren Blick auf „Mein Schiff Relax“. Deutlich größer als die Vorgänger ist der Neubau – aus eher beschaulichen 2.500 Passagieren mit dem ersten „richtigen“ TUI Cruises Schiff, der „Mein Schiff 3“, bei einer Schiffsgröße von knapp 100 Tsd. BRZ, wurde nun ein „Mein Schiff Relax“ mit 4.000 Passagieren, untergebracht auf knapp 157 Tsd. BRZ. Also eine sehr deutliche Steigerung. Die Baukosten von „Mein Schiff 3“ lagen vor mehr als 10 Jahren bei 625 Mio. $. „Mein Schiff Relax“ kommt auf etwa 850 Mio. $. Rechnet man die Baukosten pro Passagier, kommen beim „älteren“ Schiff 250 Tsd. $ zusammen, die ausgegeben wurden, beim neuen Schiff „nur“ etwa 212 Tsd. $. Also deutlich weniger, und mit Blick auf die Teuerungesraten der vergangenen 10 Jahre eine noch deutlich größere Differenz – hier wurde also irgendwo beim Schiffsbau heftig eingespart, was heißt im Standard reduziert.

Werden die vielen Info-Filme herangezogen, von TUI Cruises selbst oder von denjenigen, die als Journalisten oder Verkäufer von Kreuzfahrten schon auf dem Schiff waren, fällt nicht nur auf, dass das Schiff in den öffentlichen Bereichen und auf den Außendecks regelrecht verbaut und verwinkelt wirkt. Die klare, übersichtliche Linie ist verloren gegangen. Noch auffallender ist etwas, was bei der Vermessung der Schiffsgröße nach BRZ zunächst nicht auffällt: Der Blick auf die Deckpläne zeigt, dass „Mein Schiff Relax“ über deutlich weniger Außenfläche, insbesondere Sonnendeckfläche verfügt als die Vorgänger, und das für deutlich mehr Passagiere – so ist zum Beispiel beim Sonnendeck keine darüber liegende Ebene, die Pools umfassend, mehr vorhanden, bei den vorhergehenden Schiffen mit viel Platz für sehr viele Sonnenliegen.

Vorbei also die Zeit, in der sich TUI Cruises mit wirklich hervorragenden Postkarten-Karikaturen über andere lustig machen konnte – hier sind wir, mit „Mein Schiff“, mit viel Platz für jeden; dort sind die anderen, bei denen die Gäste so eng nebeneinander liegen wie in einer Sardinenbüchse die Fische. Vorbei ist es anscheinend mit der großzügigen, hochwertigen, übersichtlichen Gestaltung, innen wie außen. Abgesehen davon: Die Ausstattung in den „älteren“ Schiffen war durchgängig hochwertig; das, was jetzt in den Info-Filmen gezeigt wird, vermittelt nicht den Eindruck, dass diese Wertigkeit auch beim neuen Schiff durchgehalten wurde.

Das alles liegt durchaus auf der Linie, auf der sich TUI Cruises in den letzten Jahren entwickelt hat. Angefangen haben „Downgrading“-Entwicklungen ja bereits kurz vor den Unterbrechungen der Kreuzfahrt durch die Corona-Pandemie. Mit „Mein Schiff Relax“ manifestiert sich diese Entwicklung: Bei den Tarifen ist es zum Beispiel auch vorbei mit Premium-All-In. Verblieben ist der Premium-Anspruch mit einigen All-In-Leistungen, etwas mehr als bei anderen „Massenanbietern“.

Reduziert wurden die All-In-Leistungen ja schon längst, etwas versteckt das Ganze, nur eher indirekt sichtbar dadurch, dass offensiv sogenannte VIP-Leistungen gegen Aufpreis offeriert wurden. Zuzahlungen in Restaurants waren auf den exklusiven Gourmet-Bereich beschränkt. Nun häufen sich auf dem neuen Schiff die Zuzahlrestaurants, und das noch mit unterschiedlichen Preismodellen. Das einst ziemlich umfassende Getränke-All-In dürfte wohl immer weiter reduziert werden, ansonsten wäre es kaum erklärbar, dass ein sogenanntes Premium-Getränkepaket für immerhin 49 Euro Aufpreis pro Person und Tag verkauft wird.

Vorbei also die Zeiten, in denen TUI Cruises mit der Karikatur-Postkartenserie über andere „lästern“ konnte – wir sind diejenigen, bei denen man ganz relaxt genießen kann, wo das Servicepersonal deutlich macht, dass man für nichts extra bezahlen müsse; bei den anderen nimmt man einige Leistungen in Anspruch, die bei TUI Cruises selbstverständlich inklusive sind, und bekommt dafür eine ganz lange Rechnung präsentiert.

Beispiele für diese Entwicklung lassen sich mehrere finden. Alles zusammen verweist nur auf ein eines: TUI Cruises verabschiedet sich Schritt für Schritt vom bisherigen Konzept, das einmal Kennzeichen von TUI Cruises war – das hochwertige Verwöhn-Produkt für all diejenigen, die eine moderne, entspannend konzipierte Kreuzfahrt mit einem fast umfassenden, transparenten All-In-Angebot wünschen, umgesetzt in einem hellen, lichten, hochwertigen Schiffsbau, also so etwas wie ein besonderes Life-Style-Produkt.

Zurück zum Schiff „Mein Schiff Relax“ und zugleich zum Anbieter. Eigentlich ist es schade, so ein Fazit zu ziehen, weil das Produkt „Mein Schiff“ wirklich einmal ein „Hochglanzprodukt“ war für Reisende ebenso wie für diejenigen, die Reisen verkaufen.

Wer auf der Suche nach dem ist, was „Mein Schiff“ einmal war, sucht vieles davon, was einmal „Mein Schiff“ ausgemacht hat, vergebens. Wer noch so ein wenig von dem erleben möchte, was einmal war, sollte auf eines der Schiffe gehen, das noch eine Zahl im Schiffsnamen trägt. Wer versuchen möchte, in eine „Mein Schiff-Interpretation“ des massentouristischen Angebotes einzutauchen, ähnlich wie viele andere das auch bieten, findet so etwas sicherlich im Neubau von TUI Cruises.

Wer „Relax“ haben möchte, sollte darüber nachdenken, was ChatCPT vor wenigen Tagen bei einer Anfrage nach „Mein Schiff Relax“ als Antwort lieferte: „Mein Schiff 6 wird oft als Mein Schiff Relax bezeichnet“. Eine falsche und zugleich richtige Antwort: „Relax“ und noch etwas vom „alten Flair“ von „Mein Schiff“ dürfte man vor allem bei den nunmehr kleinsten Schiffen von TUI Cruises finden, bei den Nummern 3 bis 6. „Mein Schiff Relax“ – das ist eher der schleichende Abschied von den bisher so beliebten „Mein Schiff“-Standards.

BJ – 13.03.2025

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